Wenn von Lucasfilm Games (ab 1991: LucasArts) die Rede ist, denken wohl die Meisten in erster Linie an die großen Adventure-Klassiker wie Maniac Mansion, Indiana Jones and the Last Crusade und natürlich die Monkey Island Reihe, naheliegenderweise vielleicht auch an das ein oder andere Star Wars Spiel.
Ein wenig unterhalb des Radars dieser zweifelsohne großen Titel flog das im Mai 1982 von George Lucas gegründete Tochterunternehmen der Lucasfilm Ltd. mit einer beachtenswerten Trilogie historisch akkurater Flugsimulationen, die zwischen 1988 und 1991 erschienen und allesamt im zweiten Weltkrieg angesiedelt sind:
- Battlehawks 1942 (erschienen Oktober 1988)
- Their Finest Hour: The Battle of Britain (erschienen Oktober 1989)
- Secret Weapons of the Luftwaffe (erschienen August 1991)
Während die ersten beiden Titel neben dem PC auch für die damals sehr beliebten Heimcomputer Commodore Amiga und Atari ST umgesetzt wurden, gab es die „Geheimwaffen der Luftwaffe“ entgegen der ursprünglichen Ankündigung letztendlich nur noch für MS-DOS Rechner.
Für alle drei Teile zeichnete als Game Designer und Programmierer Lawrence Holland hauptverantwortlich, der in den 1980er Jahren unter anderem an Spike’s Peak und Project: Space Station arbeitete, bevor er mit PHM Pegasus und Strike Fleet ins kalte Militärsimulationswasser sprang. Der Weg zum Genre der Flugsimulationen war für Holland damit geebnet und besagte Trilogie die direkte Folge seiner gesammelten Erfahrungen. Nach Abschluss der Arbeiten an „SWOTL“ besann man sich bei LucasArts – zehn (!) Jahre nach der Firmengründung – auf die zugkräftigste hauseigene Lizenz, und so schufen Larry Holland und sein Team mit der Star Wars: X-Wing Serie in den 1990er Jahren gleich mehrere äußerst erfolgreiche sowie weltweit beachtete Weltraumflugsimulationen.
Eigentlich wollte ich gar nicht so weit ausholen, schließlich möchte ich hier über Their Finest Hour: The Battle of Britain schreiben; aber ein paar Informationen zur Einordnung schaden sicher nicht. Da der Titel des Spiels doch etwas sperrig ist, verwende ich ab sofort die Abkürzung TFH.

TFH besitzt in meiner persönlichen Bibliothek bedeutender Computerspiele einen so hohen Stellenwert, weil es meine Begeisterung für das Genre der (militärischen) Flugsimulationen überhaupt erst geweckt hat.
Natürlich gab es bereits auf dem Commodore 64 und anderen 8-Bit Heimcomputern den einen oder anderen guten (gemessen an den technischen Möglichkeiten) Flugsimulator – hier seien vor allem die Firmen MicroProse sowie subLOGIC genannt, die unter anderem mit Solo Flight und natürlich dem Flight Simulator II wahre Pionierarbeit leisteten, um ein größeres Publikum ins virtuelle Cockpit zu setzen.
Allerdings fiel es mir aus verschiedenen Gründen ziemlich schwer, Zugang zu diesen Frühwerken zu finden. So waren die Darstellung von Cockpit, Instrumenten, Flugobjekten und Landschaft aufgrund der technischen Beschränkungen der damaligen Heimcomputergeneration noch vergleichsweise abstrakt und meine Englischkenntnisse viel zu rudimentär, um die vielen Fachbegriffe, die darüber hinaus zum Großteil aus Abkürzungen bestanden, zu verstehen. Außerdem fehlten mir wundersamerweise sämtliche Anleitungen und Tastaturbefehlsübersichten – so konnte das nichts werden. 😉
Die Rahmenbedingungen änderten sich jedoch grundlegend, nachdem ich im August 1987 vom Commodore 64 auf den Amiga 500 umgestiegen war.
Über meinen Amiga 500 habe ich im Mai 2014 einen Gastbeitrag auf VSG – Videospielgeschichten.de veröffentlicht. VSG ist eine wahre Fundgrube persönlicher Erlebnisberichte, Interviews und Anekdoten, die mit großer Leidenschaft gepflegt wird und die ich jedem Retrofreund ans Herz lege.
Der Amiga war technologisch ein enormer Schritt nach vorne und bot damit die Grundlage für deutlich komplexere und detailliertere Simulationserfahrungen. Außerdem jobbte ich mittlerweile während der Ferien oder an den Wochenenden und konnte mir endlich auch Spiele inklusive Anleitung leisten. 😉
Auf TFH war ich ganz besonders heiß, wochenlang sog ich jeden Vorbericht in der Fachpresse auf, den ich in die Finger kriegen konnte und war nach dem Testbericht in der Power Play 12/89 endgültig davon überzeugt, dass ich dieses Spiel unbedingt haben müsse. Fieserweise musste ich mich noch ein halbes Jahr (!) gedulden, bis endlich auch die Umsetzung für den Amiga fertiggestellt und verfügbar war.
Als es soweit war, kratzte ich die nötige Kohle zusammen, holte den Golf II meiner Mutter aus der Garage und fuhr zusammen mit meinem Kumpel Uwe fast einhundert Kilometer über die Dörfer bis nach Bocholt, um bei Andreas Bachler aufzuschlagen, der damals einen reinen Versandhandel für Computersoftware betrieb und regelmäßig in Fachzeitschriften wie der Power Play inserierte. Andreas wies uns auch direkt nach unserer Ankunft darauf hin, dass er eigentlich ein Versandgeschäft führt – beeilte sich jedoch, nachzuschieben: Wenn wir eh schon mal da wären und Geld bei ihm lassen wollen, solle ihm das auch recht sein. Dachten wir uns doch. 😎
Als Andreas dann erfuhr, welches Spiel ich zu kaufen gedachte, musste er lachen. Da hätten wir jetzt aber wirklich Glück, dass wir die ganze Strecke nicht umsonst gefahren seien. Die Auslieferung von TFH hätte sich nämlich tagelang verzögert, weil Softgold, der Publisher für Deutschland, mehrere Hakenkreuze auf der Verpackung des Spiels übersehen hätte und daher sämtliche Pappschachteln der ersten Auflage einzeln und von Hand mittels Edding hätte „zensieren“ müssen.

Zu meinem Glück aber hätte er seine Lieferung gerade am Vortag erhalten und nach Abzug der Vorbestellungen auch noch ein paar Exemplare für den freien Verkauf zur Verfügung. Um 74,95 Mark ärmer, aber überglücklich und erfüllt von gespannter Erwartung lenkte ich den Golf über die Dörfer zurück nach Hause und musste mich bei jeder Geschwindigkeitsbeschränkung arg zusammenreißen.
Kaum daheim angekommen, machte ich mich natürlich umgehend ans Öffnen und Auspacken der Spieleverpackung, denn alleine schon das Gewicht von fast fünfhundert Gramm versprach einen gewichtigen Inhalt. Und ich sollte wahrlich nicht enttäuscht werden: Neben den beiden 3½-Zoll-Disketten, die damals selbst für eine so umfangreiche Flugsimulation noch ausreichten, hielt ich ein mysteriöses „Radio Frequency Cipher Wheel“ in der Hand, auf das ich etwas später noch näher eingehe. Eine deutschsprachige Kurzanleitung lieferte Piloten, die es eilig hatten einen schnellen Überblick über die Menüs und Optionen sowie die wichtigsten Tastaturbefehle zur Steuerung.

Das Highlight aber bildete das 200 Seiten starke englischsprachige Begleitbuch, welches nicht nur Cockpits, Instrumente und Bedienung der simulierten Flugzeugtypen en détail beschrieb, sondern den Leser ausführlich, spannend geschrieben und großartig illustriert mit geschichtlichen Hintergrundinformationen über die Luftschlacht um England versorgte. Auf einer aus dem Rückendeckel ausfaltbaren Karte des Kampfgebiets waren die wichtigsten Stützpunkte und Flugfelder der Luftwaffe und Royal Air Force verzeichnet. Alles in allem die perfekte Einstimmung auf das, was mich im Spiel erwartete.
Und das war zu der Zeit, als TFH auf den Markt kam, eine unerhörte Menge! Insgesamt acht verschiedene Flugzeugtypen ließen sich fliegen, je zwei Jäger auf britischer und deutscher Seite sowie vier deutsche Bombertypen.

Alle Flugzeuge im Spiel waren dabei individuell gestaltet und in Cockpit sowie Flugverhalten klar voneinander unterscheidbar. Aber damit nicht genug – wählte man einen der Bomber aus, konnte man nicht nur in die Rolle des Piloten schlüpfen, sondern nach Belieben eines der Bordgeschütze bemannen oder das Bombenzielgerät bedienen.
Zum gefahr- und folgenlosen Üben und Verbessern der eigenen Fähigkeiten standen Trainingsmissionen für jeden Flugzeugtyp und jede Situation zur Verfügung – von Starts und Landungen über Bombenabwürfe aus großer oder niedriger Flughöhe bis hin zur Abwehr feindlicher Jäger aus der Kanzel der He 111.

Ernst wurde es hingegen in den insgesamt 52 auf historischen Einsätzen beruhenden „Combat Flight“ Missionen, die tatsächlich im Laufe der verschiedenen Phasen der Luftschlacht um England stattgefunden haben. Hier gab es auch Medaillen und Beförderungen für die vom Spieler angelegten Pilotenprofile zu ergattern.
Das Kronjuwel von TFH war aber ohne jeden Zweifel der namensgebende Kampagnenmodus. Hier ließ sich, ausgehend vom 10. Juli 1940, die komplette Luftschlacht um England nachspielen, und zwar wahlweise auf Seiten der Luftwaffe oder der Royal Air Force. Alle zwei oder drei Tage standen Missionen an, deren Ziele aber nicht vorgegeben, sondern vom Spieler frei und eigenverantwortlich bestimmt werden konnten. So musste man sich beispielsweise entscheiden, ob es je nach Phase und Verlauf der Schlacht sinnvoller war, gegnerische Flugfelder, kriegswichtige Fabriken oder doch besser Teile der Radaranlagen anzugreifen und zu zerstören. Auf britischer Seite galt es vor allem zu verhindern, dass zu viele Flugfelder und Fabriken ausfallen oder das Radarnetzwerk zu große Lücken erleidet.
Jede einzelne Mission wurde dabei vom Spieler vor Abflug auf der Karte geplant. Es galt, Fluggruppen zu erstellen, diesen bestimmte Flugzeugtypen zuzuweisen, Wegpunkte und Ziele für den Flug festzulegen und – ganz wichtig – sich zu entscheiden, welches Flugzeug aus welcher Fluggruppe man selbst übernehmen wird.

Kaum in der Luft und die Küstenlinie des Ärmelkanals vor Augen, war man zwingend auf regelmäßig aktualisierte Informationen über die eigene sowie die Positionen feindlicher sowie verbündeter Einheiten angewiesen. Diese Informationen wurden vom Hauptquartier per Funk übermittelt, jedoch musste dazu das eigene Funkgerät auf die richtige Frequenz eingestellt werden. Hier kam nun das erwähnte Radio Frequency Cipher Wheel ins Spiel – stellte man dieses auf das entsprechende Geschwaderwappen, konnte man unter dem ebenfalls am Bildschirm angezeigten Namen eines englischen Flugfelds die richtige Funkfrequenz ablesen und einstellen.

Wer damals LucasArts Spiele gespielt hat, weiß natürlich längst Bescheid – das Dekodier-Rad stellte einen äußerst geschickten sowie fairen Kopierschutz dar. Geschickt deshalb, weil das Dechiffrieren der richtigen Funkfrequenz sehr zu einem authentischen Gefühl beitrug und fair deswegen, weil die Disketten dafür keinem physikalischen Kopierschutz unterlagen und man sich Sicherheitskopien erstellen konnte. Ein Aspekt, den man nicht unterschätzen darf, denn es kam durchaus nicht selten vor, dass Disketten früher oder später mit Lesefehlern den Dienst versagten.
So aber stand einer Karriere in Diensten von Luftwaffe oder RAF nichts im Wege, Medaillen und Beförderungen inklusive, sowie der Chance, Verlauf und Ausgang der Luftschlacht um England entscheidend mitzubestimmen.

Für die damalige Zeit sensationell war auch der im Spiel eingebaute „Videorekorder“, mit dem man die spannendsten Luftkämpfe aufzeichnen und sie sich später aus jedem beliebigen Blickwinkel anschauen konnte.
Wem das alles noch nicht genügte, der konnte mit dem „Mission Builder“ eigene Einzelmissionen erstellen, diese nachfliegen oder auf Diskette gespeichert mit einem Freund teilen.
Their Finest Hour: The Battle of Britain hatte so viel zu bieten, dass ich mich mehrere Monate lang damit beschäftigen konnte, bis ich zumindest die Kampagne einmal auf deutscher und einmal auf britischer Seite erfolgreich durchgespielt hatte. So dürfte ich irgendwann im Frühjahr 1991 das letzte Mal in meiner Bf 109 über den Ärmelkanal geflogen sein.
Eigentlich wäre die Geschichte hiermit zu Ende erzählt, hätte ich nicht zehn Jahre später das Glück und große Vergnügen gehabt, Lawrence Holland persönlich kennen zu lernen. Ich durfte ihn auf der E3 2001 in Los Angeles einen Nachmittag lang in diversen Presseinterviews zu Star Trek: Bridge Commander betreuen und begleiten, das die von ihm gegründete Firma Totally Games für Activision entwickelte.
Seine unglaublich freundliche sowie bescheidene und geduldige Persönlichkeit haben mich damals sehr beeindruckt.

Nach den Presseterminen hatten wir noch etwas Zeit, um über andere Dinge als das Geschäftliche zu reden und Lawrence machte mich dann noch mit seiner Frau Robin bekannt, die ebenfalls bei Totally Games arbeitete und uns selbstgebackene Kekse anbot.
Hätte ich das alles bereits vor dem Abflug zur E3 geahnt, ich hätte die Packung von Their Finest Hour mitgenommen und sie von Lawrence signieren lassen. Sie war ja ohnehin schon mit Edding bekritzelt. 😉
Hattest Du auch die Erweiterung „Their Finest Missions – Volume One“ gespielt?
Mein Vater besaß damals „Battlehawks 1942 “ für den Atari ST. Wurde damit leider nicht warm.
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Hallo Gerry, bitte entschuldige die späte Antwort, WordPress hat die Benachrichtigung wohl irgendwie unterschlagen. 😦
Die Erweiterung habe ich, wenn ich mich richtig erinnere, nicht mehr gekauft und gespielt. Dafür habe ich aber im Hauptspiel die Kampagne auf beiden Seiten durchgespielt und hatte damit viele Wochen lang großen Spaß. Ich war schon ein wenig schmerzfrei, das auf einem unbeschleunigten Amiga zu spielen. Erst einige Jahre später hat das Genre für mich noch mal ein ganz starkes Revival auf dem PC gefeiert, mit Janes WWII Fighters, Aces over Europe und IL-2 Sturmovik. Da habe ich noch einmal viel viel Zeit reingesteckt. Das Genre ist dann ja irgendwie auch eingeschlafen und ich bin mir auch nicht sicher, ob es mich noch mal wieder so begeistern könnte.
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Ein toller Artikel! Hier liest man sofort, dass ein Kenner der Materie schreibt. Sehr dicht, voller Fakten und lesenswerter persönlicher Anekdoten. Ich glaube brotkastenblog wird mein neues Lieblingsblog! Mal ganz absehen davon, dass mich der Stoff berührt, sind Deine Geschichten so wundervoll leicht geschrieben, dass man sie am liebsten abends im Bett im Lichte der Nachttischlampe lesen würde. Danke für Diese Text Stephan und auch dafür, dass Du ein persönliches Foto aus Deinem Archiv mit uns teilst. Ich bin mir sicher, dass noch vieles in Deiner Schublade schlummert 😉
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Vielen Dank für deine lobenden Worte, André. Ein schöner Ansporn und Motivation für kommende Artikel. 🙂
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